Gebäude der CAP Group in Milan realisiert mit CO2 reduziertem Beton (Quelle: Holcim)
Dieser Artikel wurde zuerst in der LogReal.Direkt Ausgabe 03/2022 "Strategien gegen die steigende zweite Miete" veröffentlicht.
Die Zementindustrie verursacht weltweit jährlich sechs bis acht Prozent aller CO2-Emissionen. Zement ist, nach Wasser, das meist verbrauchte Material weltweit. Derzeit steht der CO2-Ausstoß durch Verkehr und Heizung im Vordergrund, aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch Baustoffe wie Zement, Beton und Stahl im Fokus sind. In einer umweltorientierten Gesellschaft wird das Thema „nachhaltiges Bauen“ ein entsprechend relevantes Thema sein. Insbesondere, wenn man bedenkt, das zunehmende Urbanisierung und somit wachsende Investitionen in den Wohnungsbau und in die Infrastruktur den Bedarf an Baumaterialien weiterhin steigern werden. Ansätze, wie die Forcierung der Holzbauweise sind ernstzunehmende Lösungsansätze. In diesem Artikel soll jedoch nicht die Substitution des Baustoffes Zement/Beton untersucht werden, sondern die Möglichkeiten inwieweit Zement und Beton selber nachhaltiger erzeugt werden kann. Hierzu ist es zunächst erforderlich, dass man sich den Herstellungsprozess und die CO2-Verursacher in diesem Prozess vor Augen führt.
Zement wird als Bindemittel für Beton verwendet. Er ist sozusagen der Klebstoff, der den Beton zu einem robusten, langlebigen und vielseitig einsetzbaren Baustoff macht. Der für den Klimawandel relevante CO2-Fußabdruck des Bauens mit Beton wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt: Zum einen die Beheizung des Drehrohrofens, in dem der Grundstoff Zementklinker hergestellt wird, zum anderen der chemische Prozess bei der Entsäuerung von Kalkstein. Die Klinkerproduktion erfolgt bei Temperaturen von 1.450 Grad Celsius und es entsteht aus dem Calciumcarbonat des Kalksteins unter Kohlenstoffdioxidabspaltung Calciumoxid, der Hauptbestandteil des Zements (Prozess: CaCO3 + Energie => CaO + CO2). Hierbei werden pro produzierte Tonne Klinker (CaO) ca. 600 kg CO2 freigesetzt. Dieser CO2-Ausstoß ist auf die benötigten Energieträger Strom und Brennstoffe und zu 60 Prozent aus dem chemischen Prozess bei der Rohstoffumwandlung zurückzuführen. Während Elektrizität und Brennstoffe in der Zukunft CO2-neutral hergestellt werden können, sind die chemischen Prozesse bei der Zementklinkerherstellung mit heutigen Technologien nur bedingt beeinflussbar. Somit hat der Klinkeranteil im Zement einen wesentlichen Einfluss auf den CO2-Ausstoß des jeweiligen Produktes. Ob man nun Portlandzement (CEM I) oder z.B. Komposit-Zement Hochofenzement (CEM III) nutzt, hat einen ca. 3-fachen CO2-Ausstoß zur Folge. (Siehe Abb. 1).
Somit kann man durch einen abnehmenden Klinkeranteil und einem zunehmenden Hüttensandanteil im Zement schon einen wesentlichen ökologischen Beitrag leisten, ohne Kompromisse bei der Festigkeit des Zementes einzugehen. Die mit ihm errichteten Bauwerke nehmen im Laufe ihres Lebenszyklus bis zu einem Viertel des im Herstellungsprozess erzeugten Kohlenstoffdioxids aus der Atmosphäre auf. Der Fachausdruck dafür ist Rekarbonatisierung.
MÖGLICHKEITEN DER CO2-REDUKTION BEI BETON
1. Nutzung der Planungsphase zur innovativen CO2-sparenden Materialauswahl
Bei der Planung von Gebäuden kann bereits ein starker Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck genommen werden. Die effizientere Anwendung des Baustoffs Beton kann dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu minimieren. Dazu gehören die Reduktion der Betonmenge durch Gradierung und Verdrängungskörper oder innovative Betonsorten. Es bieten sich verschieden Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Nutzung von Sekundär- anstatt Primärmaterial. Die Wiederverwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen als Zuschlagsstoff wie z.B. Betonbruch statt Schotter, bietet sich hier an. Hier gilt es bei den verantwortlichen Planern vorbehalte abzubauen, dass nur „neuer“ Beton ein guter Beton ist, sondern hier den Umweltgedanke mehr herauszuarbeiten und in die Alltagsplanung mit zu integrieren. Die Nutzung von Stahlfaserbeton anstatt konventioneller Bewehrung bis hin zur Carbon- statt Stahlbewehrung bergen eine Materialeinsparung von bis zu 75 Prozent und eine entsprechende Reduzierung des CO2-Fußabdruckes. Des Weiteren bieten Beton-Fertigteile statt z.B. eine Ortbetondecke Vorteile in der CO2-Bilanz, da dies weniger Transporte verursacht. Auch die Verwendung von Infraleichtbeton zur Dämmung von Gebäuden hat einen Einfluss auf die CO2-Bilanz, da keine oder nur wenige zusätzliche Dämmstoffe benötigt werden. Die mineralische Dämmung ist nicht brennbar und aufgrund der Porigkeit auch schallabsorbierend. Die positiven Eigenschaften bleiben aufgrund der Wertbeständigkeit des Baustoffes über die gesamte Lebensdauer gleichbleibend erhalten. Dies zeigt, dass in der Planungsphase oft die Weichen nicht nur für den späteren CO2-Bedarf der Betriebsphase, sondern auch in der Gestehungsphase maßgeblich beeinflusst werden können und sollten.
2. Gebäudezertifizierungssysteme als Mehrwert nutzen
Neben dem reinen Nachhaltigkeitsgedanken stellt insbesondere aus Investorensicht die Zertifizierung von Logistikimmobilieneinen einen Mehrwert dar – insbesondere in Hinsicht auf die spätere Drittverwendbarkeit. Hier bewirkt die Auswahl von CO2-reduzierter Betone ebenfalls einen positiven Beitrag der entsprechend dokumentiert werden kann. Daher sollte bereits in der klassischen Planungsphase das angestrebte Zertifikat und die Beratung entsprechender Zertifizierungsstellen genutzt werden. So spielten CO2-reduzierte Betone bei dem Bau der Zentrale des Wasserversorgers CAP Group in Milan eine Schlüsselrolle. Mit einer speziellen, maßgeschneiderten Rezeptur wurden 35 Prozent CO2 in den relevanten Bauteilen eingespart. Neben dem CO2-reduzierten Beton „EcoPact“ aus dem Hause Holcim, wurden ebenfalls 1.000 m3 Fibreo SCC Beton verbaut. Dieser mit Fasern verstärkte Beton vereinfachte die Konstruktion der komplexen Fassade des Gebäudes. Durch die angewendeten Rezepturen werden die Standards für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit erfüllt und Arca wird das LEED Goldzertifikat erhalten.
3. Nutzung von Baustoffen aus der Kreislaufwirtschaft
Ein weiterer Weg zur Reduzierung des CO2-Anteils ist die Nutzung rezyklierter Gesteinskörnungen im Beton. Diese werden aus Abbruchschutt gewonnen. Die verwendeten rezyklierten Gesteinskörnungen entsprechen den Anforderungen der DIN EN 12620. Die maximal zulässigen Mengen an wiederverwendetem Material werden in den Betonrezepturen ausgeschöpft. Hierbei werden die erforderlichen Anforderungen an die Frischbetoneigenschaften hinsichtlich der Konsistenz, Verarbeitbarkeit, Entmischungsneigung und Frischbetonrohdichte erfüllt. Ebenso die Anforderungen an die Druckfestigkeit und Wasserundurchlässig. Die Verarbeitbarkeit von Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen ist vergleichbar mit konventionellem Beton.
4. Optimierung des Gestehungs- und Transportprozesses von Beton
Betrachtet man die vom Zement-Hersteller selbst verursachten CO2-Emissionen, so spricht man hier von ca. 80 Prozent der Emissionen im sogenannten Scope 1+2 eines Unternehmens. Hier kann bei der Herstellung der CO2-Ausstoß, der bei dem hohen Energiebedarf durch fossile Energieträger bei der Klinkerproduktion verursacht wird, zukünftig durch grünen Strom oder Wasserstoff stark reduziert werden. Auch die sogenannten Carbon-Capture-Technologien werden in der Zementindustrie im Moment großtechnisch erprobt. Das CO2 wird hierbei am Kamin von Drehofenanlagen abgeschieden, um es anschließend entweder langfristig zu speichern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder einer anderen Verwendung zukommen zu lassen wie zum Beispiel der Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Zu guter Letzt fallen aber auch beim Transport von Zement, Zuschlagsstoffen und Fertigbeton ca. 20 Prozent der CO2-Emissionen bei Transportdienstleistenden an, die im sog. Scope 3 betrachtet werden. Beispielsweise bedeutet dies für Holcim, dass weltweit ca. 2 Milliarden Transportkilometer pro Jahr vorwiegend mit LKW erbracht werden. Voraussetzung für die Optimierung dieses Bereiches ist zunächst ein konsequentes Monitoring dieser Aktivitäten. So sind mittlerweile 70 Prozent der Transportfahrzeuge bei Holcim mit einem Monitoring System (iVMS) ausgerüstet, deren Daten in einem TAC (Transport-Analytics-Center) erfasst und analysiert werden. So kann bei diesen Fahrzeugen der CO2-Ausstoß des Transportes je Transportauftrag kalkuliert und nachverfolgt werden. Durch Maßnahmen wie Nutzung alternativer Kraftstoffe (BioLNG, Wasserstoff, eFuels), Tourenoptimierung, Fahrertrainings, Netzwerkoptimierung und Änderung des Modalsplits, weg von der Strasse und hin zur Schiene und Wasserwegen, wird eine Reduktion des CO2-Ausstoßes in diesem Bereich von 24 Prozent pro transportierte Tonne von Holcim bis 2030 angestrebt.
Fazit:
Bereits heute kann mit bestehenden alternativen Materialien und Planungsleistungen eine wesentliche CO2-Reduktion bei der Nutzung von Beton stattfinden. Der Zementindustrie ist jedoch bewusst, dass man hier nicht stehen bleiben kann. Während die zur Herstellung von Zement benötigte Energie zum Beispiel durch grünen Strom oder Wasserstoff CO2-frei gestaltet werden kann, ist Net-Zero Beton derzeit ohne Kompensation oder Abscheidung und Speicherung von CO2 nicht zu realisieren. Weiterer Forschungsbedarf ist bei alternativen Rohstoffen zum Kalkstein wie. Z.B. Calcined Clay (Ton) zur Reduktion des Prozessaustosses zu sehen. Neben den von den Zementherstellern selbst emittierten CO2-Menge (Scope 1+2) sollte auch der Transport von Beton (Scope 3) nachhaltiger gestaltet werden. Wichtig ist, dass bei den Planern und Ausschreibenden Firmen ein stärkeres Bewusstsein geschaffen wird, welchen Einfluss die Produktauswahl bei den Rohstoffen, Kompositzemente (CEM III vs. Klassischer Portland Zement (CEM I) , Design und auch bei den angewandten Verfahren (Fertigbeton versus Ortbeton) auf den CO2-Footprint in der Gestehungsphase haben. Zertifizierungssysteme, wie LEED und BREAAM werden in Zukunft das Bewusstsein von Planern für die Möglichkeiten der CO2-Reduktion in der Gestehungsphase von Gebäuden und Infrastrukturmaßnahmen prägen und schärfen. Auf Grund dieser Betrachtungen kann klar gesagt werden, dass nachhaltiger Beton kein Etikettenschwindel ist, sondern eine zukunftsweisende, notwendige Entwicklung, die zunehmend auch für Logistikimmobilien von Interesse ist.
Die Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Armin Bohnhoff
arbeitet an der Hochschule Darmstadt im Bereich Logistik- und Immobilienmanagement am Fachbereich Wirtschaft. Die Hochschule Darmstadt (h_da) ist mit ca. 16.500 Studierenden, 350 Professoren und 70 Studiengängen eine der größten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) in Deutschland. Der Bereich Logistik wird derzeit von vier Professoren in Dieburg betreut und hat einen eigenen Studiengang Logistik Management.
armin.bohnhoff@h-da.de
MSc Alexander Scheld
arbeitet als Head of Logistics bei der Holcim Gruppe in der Schweiz. Holcim ist eines der führenden Unternehmen für innovative, nachhaltige und digitale Bau-Produkte und -Lösungen. Im Bereich des nachhaltigen Bauens entwickelt Holcim passgenaue Lösungen für Bauherren, Bauunternehmen, Architekt: innen und Ingenieur:innen – verbunden mit einem Fokus auf Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft.
alexander.scheld@holcim.com