20.10.2021
Berlin/Bremen. Der Deutsche Logistik-Kongress 2021 ist eröffnet – als Präsenzveranstaltung in Berlin und als Streaming-Event im Netz. Noch bis Freitag werden unter dem Motto „Chancen nutzen - Adapt to lead“ rund 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Hotel InterContinental sowie voraussichtlich über 2.000 online an den Bildschirmen über die aktuellen Trends und Herausforderungen in Logistik und Supply Chain Management diskutieren. Die Themen des Programms sind eher zukunftsorientiert, doch ziehen sich natürlich auch die derzeitigen Herausforderungen des Wirtschaftsbereichs durch die Inhalte des Kongresses - Unterbrechungen in den Lieferketten, Mangel an bestimmten Materialien und Ersatzteilen sowie der Fachkräftemangel.
Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Vorstandsvorsitzender der BVL: „In den vergangenen Wochen haben sich die Schlagzeilen über Lieferengpässe und Unterbrechungen in den Lieferketten gehäuft. Bleiben nun zu Weihnachten die Regale bei uns leer? Wir glauben das nicht. Von unseren Mitgliedern aus dem Handel hören wir, dass es wohl nicht zu signifikanten Engpässen kommen wird. In der Industrie ist die Lage schwieriger. Dort gibt es vermehrt Komponenten oder Produkte, die nicht rechtzeitig lieferbar sind. Bis auf Ausnahmen ist aber insgesamt nicht zu erwarten, dass ganze Produktgruppen fehlen werden.
Unser Kongress ist und bleibt eine Plattform für intensiven Austausch von Wissen, Meinungen und Erfahrungen. Eigene Impressionen sammeln, Ableitungen für den persönlichen Verantwortungsbereich treffen: Wie agieren wir im Wandel der Zeit, wenn Wahlergebnisse Veränderungen anmahnen? Wie gehen wir um mit Materialmangel, Kostensteigerungen, ungleichem Wettbewerb und Inflationsangst? Wie lautet die ‚License to Operate‘ der Logistik? Unser Wirtschaftsbereich ist ein Teil der Gesellschaft. Wir nehmen die Herausforderungen an. Wir bringen konkrete Lösungen ein.“
Die Daten des vom ifo-Institut für die BVL ermittelten Logistik-Indikators für September zeigen: Die Stimmung in der Logistik erhielt zum dritten Mal in Folge einen Dämpfer. Der Klimaindikator fiel zwar geringfügig, liegt aber insgesamt immer noch über dem Normalniveau. Viele Unternehmen zeigten sich weiterhin zufrieden mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Sie blicken jedoch skeptischer auf die kommenden Monate.
Soeben erschienen ist auch wieder die TOP 100-Studie der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) zu Europa und die Prognose der Logistikweisen von ihrem Herbst-Gipfeltreffen: Der Rückgang im Wirtschaftsbereich Logistik fiel 2020 mit minus 2 % deutlich geringer aus, als zuvor befürchtet. Für 2021 wird ein Wachstum von 3% in Europa und 5 % in Deutschland erwartet, für 2022 in Deutschland ein Wachstum zwischen 5,2 und 5,8 %. Weitere Informationen finden Sie in der Pressemeldung des Fraunhofer Instituts zur TOP 100-Studie.
Versenden Unternehmen Produkte, stellen sie einen Lieferschein auf Papier aus, der die Lieferung bis zum Wareneingang begleitet. Er wird manuell weitergereicht und bearbeitet. Das ist zeitaufwändig, fehleranfällig und verbraucht Ressourcen. Der digitale Lieferschein soll diese Probleme bald beheben. Auf dem Deutschen Logistik-Kongress stellten die Partner Bundesvereinigung Logistik (BVL) und GS1 Germany ihr Projekt gemeinsam mit REWE als beispielhaften Nutzer vor. 20 Unternehmen aus Konsumgüterindustrie, Handel und Logistik hatten im August und September vier Wochen lang den digitalen Lieferschein im Rahmen eines Pilotprojekts in Kooperation mit T-Systems getestet. Erfolgreich: 68 % der befragten Anwenderinnen und Anwender würden die standardisierte Branchenlösung zur digitalen Abwicklung von Lieferscheinen gerne weiternutzen. Denn, so das Ergebnis: Die Dauer einzelner Lieferprozesse verkürzte sich um bis zu zehn Tage. „Spediteure sparen sich den gesamten Aufwand der Dokumentation von Lieferscheinen – vom Einscannen übers Archivieren bis zur Auskunftspflicht“, sagt Oliver Püthe, Leiter des Projekts bei GS1 Germany. Im Projektverlauf gefielen den Teilnehmenden besonders die kontaktlose Übergabe des Dokuments mithilfe des QR-Code-Scans, die digitale Unterschrift sowie die Einsparung des Lieferscheindrucks. Sie begrüßten außerdem, dass die Qualität des Belegs nicht durch mehrere manuelle Durchläufe leidet. „Der digitale Lieferschein ist ein wichtiger Baustein für durchgängig digitale Geschäftsprozesse in der Transportlogistik“, sagt Christian Grotemeier, Geschäftsführer der BVL. In Zukunft soll jeder Partner in der Lieferkette digital auf seine Lieferscheine zugreifen, sie kommentieren und mit einer Unterschrift quittieren können.
Betrieben wird der digitale Lieferschein als Web-App in der Open Telekom Cloud. Als ersten Schritt hinterlegen die verladenden Unternehmen die Lieferscheine digital. Damit das digitale Dokument eindeutig der jeweiligen Lieferung zugeordnet werden kann, nutzen sie den GS1 Standard GDTI (Global Document Type Identifier). Beim Verladen scannt der Fahrer oder die Fahrerin einen QR-Code mit seiner Smartphone-Kamera. Er erhält so einen zeitlich begrenzten, sicheren Zugriff auf den digitalen Lieferschein in der Cloud. Dieser enthält ebenfalls einen QR-Code. Er wird bei Anlieferung vorgezeigt. Der Empfänger scannt den angezeigten QR-Code vom Handy des Fahrers und bestätigt elektronisch den Erhalt der Ware. Damit lassen sich die nachfolgenden Schritte, wie die Erstellung von Ablieferbeleg und Abrechnungen an Händler und Spediteur, direkt anstoßen.
Nach Auswertung des Pilotprojektes wird der digitale Lieferschein nun weiterentwickelt. Zudem entsteht eine GS1-Anwendungsempfehlung, die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen soll. Bereits 2022 könnte es erste konkrete Anwendungen geben.
Mit Blick auf die Herausforderungen bei internationalen und nationalen Lieferketten rückt die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit von Logistikerinnen und Logistikern immer mehr in den Fokus. Wie beeinflusst die IT die Zusammenarbeit? Welche digitale Perspektive hat die Logistik? Das sind die Fragen, welche die BVL in einer breit angelegten Studie in Zusammenarbeit mit Arvato Systems gestellt hat. Insbesondere ging es dabei auch um die Cloud-Nutzung in der Logistik. Mehr als 590 Logistikerinnen und Logistiker haben sich an der Studie beteiligt. Sie bietet damit eine umfassende Vermessung der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit in der Transport- und Intralogistik. Das Ergebnis: Die Intensität der Zusammenarbeit lässt noch Luft nach oben. Besonders der Handel bewertet sie tendenziell geringer als die Industrie und die Logistikdienstleister. IT und insbesondere Cloud-Technologie werden von den meisten Befragten als ein Schlüsselfaktor identifiziert. Gleichwohl besteht in der Logistik noch großer Nachholbedarf bei der Nutzung von Cloud-Technologien: Aktuell arbeiten nur rund 50 % der Logistik-Dienstleistungsunternehmen in der Cloud und ermöglichen damit eine leichtere unternehmensübergreifende Kooperation. Viele wichtige Systeme und Tools sind noch nicht miteinander vernetzt, hier besteht hoher Handlungsbedarf. Immerhin ist die Notwendigkeit den meisten bewusst: Es besteht eine hohe Investitionsbereitschaft für derartige Technologien. „Logistik ist unternehmensübergreifendes Teamwork. Nur so kann die Versorgung von Gesellschaft und Wirtschaft erreicht werden. Mit Blick auf die umfassende Vernetzung von IT-Systemen für eine durchgängige, digitale Lieferkette stehen viele Unternehmen noch vor großen Aufgaben“, so BVL-Geschäftsführer Dr. Christian Grotemeier.
Zu ihrer Einschätzung der Zukunft befragt, skizzieren die Befragten ein attraktives Bild von der zukünftigen Logistik. Jeweils eine Mehrheit glaubt, dass es künftig keine Datensilos mehr gibt und dass papierlose Prozesse und der Einsatz von KI im Lager deutlich zunehmen werden. Zwei Drittel der Befragten glauben, dass Unternehmen, die ihre Daten teilen, langfristig erfolgreicher sein werden. Nur 21 % gehen dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Speditionen künftig ausschließlich digitale Frachtmarktplätze nutzen werden. Der Digitalisierung in Deutschland stellen die meisten Befragten ein schlechtes Zeugnis aus. 56 % glauben, dass die Digitalisierung hierzulande schlechter fortgeschritten ist als in anderen Ländern der EU. Interessante Unterschiede zeigen sich hier in den verschiedenen Logistik-Disziplinen: Fast 70 % der Befragten sehen die Intralogistik bei der Digitalisierung besser (29 %) oder mindestens gleich gut (40 %) aufgestellt wie die anderen Bereiche der Logistik. Für die Transportlogistik dagegen glauben lediglich 12 % der Befragten, dass diese besser als die anderen Bereiche dasteht (47 % gleich fortgeschritten / 34 % schlechter aufgestellt). Bemerkenswert ist, dass 61 % der Befragten ihr eigenes Unternehmen für digital besser oder mindestens gleich gut aufgestellt sehen wie den Rest der Branche, nur 35 % sehen sich hier im Hintertreffen.
Die Ergebnisse der Studie können hier heruntergeladen werden: https://www.besser-zusammenarbeiten.cloud