Das Hochwasser hat enorme Schäden verursacht. Schiene, Brücken und Straßen sind beschädigt und streckenweise gesperrt. Große Binnenschifffahrtsstraßen sind bzw. waren tagelang nicht befahrbar, einige Binnenhäfen mussten den Betrieb einstellen. Welche Auswirkungen hat das auf die Logistik in deutschen Unternehmen, auf die Liefer- und Versorgungsketten? Eine schnelle Umfrage am 13. Juni unter BVL-Regionalgruppensprechern ergab folgendes Bild.
In der Region Sachsen scheinen die Transporte auf Straße und Schiene relativ normal zu verlaufen. Beeinträchtigungen gibt es vor allem für kleinere Unternehmen, die insbesondere mit Personalausfällen zu kämpfen haben, da viele der Arbeitnehmer sich um den Schutz der eigenen vier Wände kümmern mussten. Unternehmen, die in Flussnähe angesiedelt sind, müssen mit kleineren Wassermengen in ihren Kellern oder Betriebsräumen umgehen. Das hat in besonderen Fällen zu Einstellung des Betriebs geführt, da durch das Eindringen des Flutwassers Hygieneanforderungen an die Produktionsstätte nicht mehr eingehalten werden konnten. Alles in allem leiden kleine Unternehmen mehr unter dem Hochwasser, auch deshalb, weil ihnen die Ressourcen für umfassende Risiko-Management-Systeme fehlen.
In der Region Sachsen-Anhalt sind insbesondere die Transportwege behindert. Alle wichtigen Binnenhäfen arbeiten entweder stark eingeschränkt oder haben den Betrieb vollkommen eingestellt. Auf der Schiene sind sowohl der Personen als auch der Güterverkehr beeinträchtigt. Hinzu kommen personelle Engpässe durch Notfalleinsätze in den eigenen vier Wänden oder an Orten, die besonders schlimm betroffen sind bzw. waren. Übrigens befanden sich auch Mitarbeiter des Fraunhofer IFF im freiwilligen Notfalleinsatz, Bilder dazu in unten stehender Galerie. Deren Tatkraft zeigt sich auch in der Tatsache, dass die 16. IFF-Wissenschaftstage vom 18. bis zum 20. Juni trotz allem stattfanden. Mehr Infos dazu unter www.wissenschaftstage.iff.fraunhofer.de Die Landwirtschaft hat aufgrund überfluteter Felder großen Schaden erlitten, was sich auf die verarbeitende Industrie auswirken dürfte. Das gesamte Ausmaß der Schäden wird erst nach und nach sichtbar werden. Derzeit gelingt es wohl noch, Transporte über alternative Transportmittel – und Wege sicherzustellen, allerdings ist dies mit hohem Kraftaufwand verbunden.
Ähnlich ist es in der Region Südwestsachsen/Oberfranken. Es sind zwar keine Gleise mehr überschwemmt, aufgrund der Beeinträchtigungen des gesamten Schienennetzes sind allerdings ebenfalls clevere Ausweichstrategien gefragt. Lagerbestände beginnen nun doch, zur Neige zu gehen, so dass fallweise kurzfristig alternative Transportmöglichkeiten gefunden werden müssen, um den Produktionsbetrieb sicher zu stellen. Ein Kraftakt ist es darüber hinaus, zum Beispiel mit Stromausfällen umzugehen, indem sehr kurzfristig Notstromaggregate beschafft und angeschlossen werden müssen.
Aus der Region Ostbayern wird berichtet, dass besonders die eineinhalbwöchige Sperrung der Hauptverkehrsader A3 nach Südosten zu Lieferverzögerungen führte. Der Mittelwert des Wasserstandes Passau Donau beträgt 4,95 m und stieg auf 12,89 m an. Mehrere Firmen im Raum Deggendorf standen bis zu 2 Meter unter Wasser und sind daher mindestens für die nächsten Wochen nicht in der Lage, den Betrieb wieder aufzunehmen. Soweit möglich, werden Kunden über andere Standorte versorgt. In Fischerdorf bei Deggendorf sind große Mengen Öl ausgelaufen, das sich als Schicht auf alles gelegt hat und damit Aufräum- und Trockenarbeiten zusätzlich erschwert. Einige Firmen aus dem bayerischen Wald haben Standorte in Tschechien, die ebenfalls unter Wasser standen und Schäden an Maschinen hinnehmen mussten. Es sei zu erwarten, dass es zu Verknappungen und Preissteigerungen kommt. Die konkrete Quantifizierung der Auswirkung auf Lieferketten sei aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Logistik in Deutschland durch das Hochwasser zwar beeinträchtigt ist. Dank verbesserter Risiko-Management-Systeme der Unternehmen und regional erfolgreicher Hochwasserschutzmaßnahmen bleiben schwerwiegende Auswirkungen auf Liefer- und Versorgungsketten bislang aber aus. Eine Umfrage der BVL unter Logistikexperten auf XING ergibt ein ähnliches Bild. Dies kann umschlagen, je nachdem, wie erfolgreich die Aufräumarbeiten verlaufen.
Völlig unklar ist noch, wie hoch der gesamtwirtschaftliche Schaden für Deutschland ausfallen wird. Es werden umfangreiche Infrastrukturinvestitionen notwendig sein, um die Schäden an Brücken, Schiene und Straße zu beheben. Das lässt befürchten, dass die ohnehin schon geringen verfügbaren Ressourcen weiter schrumpfen und die Reparaturen zulasten von geplanten Neubauten gehen. Ich denke, der Staat muss auch in diesem Bereich zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, um langfristige negative Folgen des Hochwassers für die Konjunktur in Deutschland so gering wie möglich zu halten.
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