Kommentar zum Logistik-Indikator für das 1. Quartal 2022 von Prof. Timo Wollmershäuser, ifo-Institut
Die letzte Befragung für das erste Quartal endete bereits einige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, womit die Ergebnisse nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Der BVL-Vorstandsvorsitzende Thomas Wimmer wird daher frühestens die Ergebnisse der März-Umfrage kommentieren.
In der deutschen Logistikwirtschaft konnte der Klimaindikator seinen Verlust aus dem Vorquartal wieder wettmachen und notierte bei einem zufriedenstellenden Stand von 100,5 Punkten. Dies geht aus den monatlichen Erhebungen zum Logistik-Indikator hervor, die das ifo Institut im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) im Rahmen seiner Konjunkturumfragen durchführt. Die Geschäftslage wurde wieder häufiger als günstig beurteilt. Die Geschäftsaussichten indes fielen ähnlich verhalten wie zuletzt aus, nur wenige Firmen blickten zuversichtlich auf das kommende halbe Jahr.
Bei den Logistikdienstleistern nahm die Zufriedenheit mit der Geschäftslage merklich zu, der Auftragsbestand stieg sichtlich an. Hingegen waren die Geschäftsaussichten auf das kommende halbe Jahr nun von Sorgen geprägt. Trotzdem ergab sich für das Geschäftsklima eine leichte Verbesserung. Hinsichtlich der Preispolitik fasste eine deutliche Mehrheit der Unternehmen Preiserhöhungen ins Auge.
In Handel und Industrie zeigten sich die Befragten fast unverminderten zufrieden mit den laufenden Geschäften und auch der Ausblick auf die kommenden sechs Monate war nun mancherorts von Zuversicht geprägt. Daher stieg auch der übergeordnete Klimaindikator. Materialengpässe plagten jedoch weiterhin sowohl die Industrie als auch den Handel – die Lagerbestände konnten kaum erhöht werden.
Das Bruttoinlandsprodukt konnte sein Wachstum aus dem Sommer nicht mit in den Winter nehmen. Im vierten Quartal 2021 erhielt es erneut einen Dämpfer und sank – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,3% gegenüber dem dritten Quartal 2021. Die vierte Corona-Welle mit den erneuten Verschärfungen der Corona-Schutzmaßnahmen belastete die deutsche Wirtschaft jedoch nicht in dem Maße wie im Winter 2020. Die Wirtschaftsleistung lag damit im vierten Quartal 2021 – preis- und kalenderbereinigt – um 1,8% über dem Vorjahresquartal.
Sorgen bereiten der deutschen Wirtschaft seit Mitte vergangenen Jahres vor allem die hohen Inflationsraten. Im Februar 2022 lagen die Verbraucherpreise um 5,1% über ihrem Vorjahreswert. Dabei trug die Verteuerung der Energie maßgeblich zur Inflation bei. Daten des Statistischen Bundesamts zufolge waren die Preiseanstiege bei Energieprodukten mit +22,5% deutlich überdurchschnittlich. Dies war vor allem eine Folge der Eskalation der Ukrainekrise, welche die Marktpreise für Erdöl und Erdgas in die Höhe schnellen ließ. Aber auch die anhaltenden Lieferengpässe bei anderen Rohstoffen, industriellen Vorprodukten und Handelswaren zählten zu den preistreibenden Faktoren. Nach ifo-Einschätzung planen derzeit so viele Unternehmen wie nie zuvor im wiedervereinigten Deutschland die Preise in den kommenden drei Monaten zu erhöhen. Am höchsten liegt der Saldo im Handel (63,3 Punkte), gefolgt von der Industrie (57,4 Punkte). Auch die Anbieter von Logistikdienstleistungen wollen die Preise weiter anheben; dort lag der Saldo im Februar bei 52,6 Punkten. Damit dürfte an der Inflationsfront auch in den kommenden Monaten keine Entspannung in Sicht sein. Vor dem Hintergrund der jüngsten Rohöl- und Erdgaspreisanstiege dürften die Raten in den kommenden Monaten eher weiter steigen als sinken.
Natürlich hängt diese Preisprognose sowie die Einschätzung des weiteren konjunkturellen Verlaufs ganz maßgeblich vom Fortgang des Konflikts um die Ukraine ab. Die damit verbundene Unsicherheit dürfte vor allem die Ausgabebereitschaft der Haushalte und Unternehmen senken. Dämpfend auf die Nachfrage der Konsumenten wirkt zudem der inflationsbedingte Kaufkraftverlust. Einen kräftigen Schub erhält die Konsumkonjunktur jedoch durch das Abebben der vierten Coronawelle, was insbesondere dem Handel und den kontaktintensiven Dienstleistungsbereichen kräftige Umsatzsteigerungen bescheren dürfte. Auch sind die Auftragsbücher der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe so gut gefüllt wie nie zuvor, so dass selbst eine Abschwächung der Nachfrage nach Industrieprodukten als Folge der hohen Preise oder der Sanktionen gegen Russland zunächst wohl kaum spürbar sein wird. Insgesamt dürften daher aus heutiger Sicht die expansiven Konjunkturkräfte im weiteren Verlauf des Jahres überwiegen und eine Rezession eher unwahrscheinlich sein.