Kommentar zum Logistik-Indikator für das 4. Quartal 2021 von Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der BVL
Es war doch so schön: Als sich Führungskräfte des Wirtschaftsbereichs Logistik im Oktober in Berlin zum Deutschen Logistik-Kongress trafen, waren Wiedersehensfreude und Aufbruchstimmung zu spüren. Der Kongress hat gutgetan, vor allem denen, die ihn als Präsenzveranstaltung erlebten. Gemeinsam wurden Herausforderungen angegangen, Lösungswege diskutiert, sich gegenseitig Mut gemacht. Chancen nutzen, sich zu adaptieren, Nachhaltigkeit weiter voranzubringen, gesellschaftlichen Wandel positiv zu begleiten und Supply Chains resilienter zu gestalten. Darum ging es in der Sache – und die Lebendigkeit der Begegnungen vertrieb trübe Gedanken. So etwas wie lange vermisste Normalität stellte sich ein – obwohl weltweite Warenflüsse stockten und fehlende Komponenten die Wertschöpfung ausbremsten.
Nun rollt eine vierte Welle der Corona-Pandemie durch Wirtschaft und Gesellschaft – und Deutschland ist darauf angesichts der lange Zeit stagnierenden Impfkampagne nicht so richtig gut vorbereitet. Hinzu kommt, dass Lieferengpässe eskalieren und Produktionen immer wieder ins Stocken bringen. Das VW-Werk in Emden zum Beispiel ist seit dem Nikolaustag bis zum 10. Januar geschlossen. Insgesamt ist die Kurzarbeit wieder im Steigen begriffen. Das alles dämpft die Erwartungen und spiegelt sich zum Ende dieses zweiten Krisenjahres im Logistik-Indikator des 4. Quartals wider: Lagebeurteilung und Erwartungen des Gesamtindikators sind nach unten gerichtet, wobei die Verlader in Industrie und Handel die Situation positiver einschätzen als die Logistikdienstleister. Bei Letzteren darf vermutet werden, dass sich die Reeder in ihren Votings zurückgehalten haben. Denn die Linienreedereien verdienen zurzeit mehr Geld als in den letzten zehn Jahren zusammen. Das wird wohl auch im kommenden Jahr 2022 so bleiben. Wir die DVZ schreibt, heißt es für die Reedereien jetzt, Schulden zu reduzieren, den Umstieg auf emissionsärmere Technologien in Angriff zu nehmen und sich an strategisch wichtigen Terminals zu beteiligen, um maritime Lieferketten zu optimieren.
Immerhin: das Geschäftsklima der Logistik insgesamt erweist sich um einige Punkte besser als zum Jahreswechsel 2020 zu 2021. Aber vor zwölf Monaten hatten wir die Hoffnung, dass es nach schmerzhaften Lockdowns und dem Beginn der Impfungen kontinuierlich aufwärts gehen würde. Realität sind derzeit dramatisch steigende Preise, abnehmende Lagerbestände bei Industrie und Handel, schrumpfende Auftragsbestände bei den Logistikdienstleistern – bei immerhin noch stabiler Personalsituation.
Die deutsche Wirtschaft erlebt reduzierte Wertschöpfung und ein eingeschränktes Weihnachtsgeschäft. Eine gut funktionierende Logistik hat ihren Beitrag dazu geleistet, diese Verluste so gering wie möglich zu halten. Trotzdem sind die Verwerfungen spürbar und begleiten uns nun ins neue Jahr. Die Fachleute für Logistik und Supply Chain-Management sind gefordert, weiterhin unter Beweis zu stellen, dass Logistik in vielen Situationen den Unterschied machen kann zwischen „geht nicht“ und „passt“. Die Systemrelevanz unserer Arbeit ist der breiten Öffentlichkeit und hoffentlich auch den Entscheidern in Politik und Verwaltung ins Bewusstsein gedrungen. Für uns ergibt sich damit eine hohe Verantwortung, immer wieder neu zu liefern – neue Ideen und Lösungen und natürlich die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort.
Video-Statement zum Logistik-Indikator im 4. Quartal von Prof. Thomas Wimmer