Kommentar zum Logistik-Indikator für das 1. Quartal 2020 von Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der BVL
Man hätte auch titeln können: „Ohne Corona herrschte leichter Optimismus“ – denn als das Ifo-Institut uns die Ergebnisse der Februar-Umfrage übermittelte, war unsere erste Reaktion: die Einschätzungen sind überholt und die vielschichtigen Auswirkungen der Corona-Krise haben sich in diesen Zahlen noch nicht niedergeschlagen. Wir haben uns entschieden, die Momentaufnahme, die Antworten bis etwa KW8/2020 umfasst, zum Ausgangspunkt für die Kommentierung zu nutzen.
„Ceteris paribus“, also unter sonst gleichen Bedingungen und ohne Berücksichtigung der Verwerfungen, die durch Corona über unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben gekommen sind, wären die Geschäftserwartungen in einem leichten Steigen begriffen, insbesondere bei Handel und Industrie. Erfahrungsgemäß ziehen die Logistik-Dienstleister dann einige Zeit später nach. Doch nun kommt es anders: Wenn in etwa drei Wochen die März-Umfrageergebnisse vorliegen werden, dürfte das Bild dramatisch schlechter aussehen. Die deutsche Wirtschaft und auch der Wirtschaftsbereich Logistik werden sich infiziert haben. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich irrte.
Tatsache ist: Daten und Fakten das Virus betreffend kommen vielerorts nicht gegen Gerüchte und Mythen an – und gegen eine um sich greifende Angst bis hin zur Panik. Jedes Jahr leben wir mit Grippewellen, die uns mal stärker und mal schwächer treffen. So hat die intensive Grippesaison 2017/18 in Deutschland 25.000 Menschen das Leben gekostet. Das ist eine bemerkenswert hohe Zahl und trotzdem wurden damals keine irrationalen Entscheidungen getroffen, nicht Medikamente und Hilfsmittel gehortet – oder sogar aus Kliniken gestohlen.
Offenbar ist Corona ansteckender als die Influenzaviren der Vorjahre und es bedarf größerer Vorsichtsmaßnahmen. Das erfordert erhöhte Aufklärung und beste medizinische Versorgung. Aber sind Hamsterkäufe, die Absage von Veranstaltungen, Reiseverbote und die Verlegung von Messeterminen angesichts der bislang registrierten Zahl von Corona-Infizierten in Deutschland wirklich notwendig? Die Entwicklung im Nachbarland Italien lässt uns ratlos zurück. Spätestens jetzt brauchen wir eine Berichterstattung, die aufklärt und nicht mit Schlagzeilen Panik schürt – und Entscheider in Wirtschaft und Politik, die uns allen die Angst nehmen und sich nicht in die Riege der Schwarzseher einreihen.
Denn es warten immer noch die Herausforderungen, die durch Corona von der Agenda verschwunden sind, obwohl sie dringend bearbeitet werden müssten: Wertschöpfung, Welthandel, Nachhaltigkeit, Mobilität, Infrastruktur, Brexit, Protektionismus, Labilität von Finanzmärkten und vieles mehr Die Bundesregierung signalisiert, angesichts einer drohenden Rezession konjunkturpolitisch „nachzusteuern“. Das ist gut zu wissen. Doch für uns alle gilt: The business of business is business. Lassen Sie uns das tun, was wir am besten können: Sachlich bleiben, Herausforderungen lösen, die Wirtschaft in Gang halten. Das könnte allen helfen, zu vernünftigen Reaktionen und besonnenen Entscheidungen zurückkehren – und so Wirtschaft und Gesellschaft wieder stabilisieren.