In der Logistik geht es stets um größtmögliche Flexibilität und Effizienz. Daher sollte es kaum verwundern, dass in diesem Wirtschaftsbereich der Ansatz „Teilen statt besitzen" im Vergleich zu anderen Branchen seit langem erfolgreich praktiziert wird. Der Fuhrpark eines Transportunternehmers wird zu großen Teilen geleased, dadurch entfallen die hohen Anschaffungskosten und die Fahrzeuge bleiben bei relativ kurzen Laufzeiten immer auf dem neuesten Stand der Technik. Auch Lager werden zunehmend gemietet und nicht selbst gebaut. Bei Bedarf werden einfach weitere Lagerflächen angemietet oder nach Ablauf der Mietzeit wieder abgestoßen. Und über klassische Stückgut-Kooperationen teilen sich einzelne Transportunternehmer ganze Sendungen. Denn kein Unternehmen allein wäre in der Lage, Sendungen flächen- und kostendeckend von A nach B zu transportieren. Die Sharing Economy in der Logistik gestaltet das Teilen über digitale Plattformen nun noch flexibler. Die Zusammenarbeit gestaltet sich kurzfristig und auftragsbezogen und ist nicht mit längerfristigen Verpflichtungen verbunden. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass der Bedarf an zertifizierten Leistungen entlang der Wertschöpfungskette steigen wird, damit ausleihende Logistiker auch bei Sharing-Angeboten sicherstellen können, dass die geliehene Ressource im Sinne ihres Kundenauftrags zufriedenstellende Resultate liefet. Darüber hinaus verschwimmen die Grenzen von B2C, B2B und C2C zunehmend. So ist es zukünftig nicht abwegig, dass Transportunternehmen kurzfristig freie urbane Lagerflächen wie leere Kellerabteile oder Parkplätze über Plattformen von Nutzern mieten, um ihre Innenstadtbelieferung umzusetzen. Ebenfalls denkbar ist, dass Nutzer selbst zur Packstation werden oder die Belieferung auf der letzten Meile im Auftrag eines Logistikunternehmens selbst erledigen. Alle diese Modellvorstellungen können über digitale Plattformen nahezu in Echtzeit organisiert werden.
Im DHL-Trend-Report „Sharing Economy Logistics – Rethinking logistics with access over ownership" vom Mai 2017 beschreibt das Unternehmen wesentliche Elemente der sogenannten Sharing Economy, benennt erfolgreiche Beispiele anderer Wirtschaftsbereiche und beschreibt zudem mögliche Anwendungsfälle für Sharing-Economy-Ansätze in der Logistik:
1. Wirklich geteilte Lagerung
Derzeit ist die Verteilung und Nutzung von Lagerflächen in Multi-Customer-Lagerhallen unflexibel. Feste Lagerflächen werden auf vertraglicher Basis über einen festgelegten Zeitraum bestimmten Kunden zugeteilt – meist ohne die tatsächliche Auslastung der Flachen während der Vertragslaufzeit zu berücksichtigen.
Die Idee hinter der „wirklich geteilten Lagerung" besagt, dass überschüssige Logistikflächen in Lagerhäusern auf digitalen Plattformen angeboten werden. Über diese sollen also nur die Flächen vergeben werden, die auch benötigt werden. Dadurch würden Multi-Customer-Lagerhäuser Third-Party-Logistics-Providern (3PL) den Vorteil bieten, dass sie mit nur einem Lager mehrere Kunden bedienen können.
2. Diskrete Lagerung in Städten
Mit der diskreten Lagerung in Städten ist gemeint, dass Stadtbewohner Flächen, die sie selber nicht nutzen, über digitale Plattformen beispielsweise an Logistikunternehmen vermieten. Nicht benötigte Flächen könnten beispielsweise Kellerräume, Garagen oder Parkplätze sein.
3. Gemeinschaftliche Güter auf Abruf
Derzeit werden hauptsächlich Güter geteilt, die relativ teuer in der Anschaffung sind, wie beispielsweise Autos oder Fahrräder. Es gibt aber auch einen Trend hin zum Teilen von Alltagsgegenständen von geringerem Wert. Dieser bietet Logistikdienstleistern die Möglichkeit, ihr Know-how, ihre Lager und Fahrzeuge einzusetzen, um die Abholung, Lagerung und Zustellung der Artikel zwischen einzelnen Plattform-Nutzern zu organisieren.
4. Teilen von Logistik-Gütern
Logistiker mit eigenem Fuhrpark können die Auslastung ihrer Fahrzeuge erhöhen, indem sie nicht genutzte Fahrzeuge über Sharing-Plattformen an private Nutzer vermieten. Diese könnten sie dann zum Beispiel für Umzüge oder den sonstigen privaten, kurzfristigen Transport sperriger Güter verwenden.
5. Teilen von Transportkapazitäten
Auch in Zeiten begrenzter Transportkapazitäten fahren viele Lkw ohne voll ausgelastet zu sein. Diverse Frachtbörsen nehmen sich daher der Herausforderung an und versuchen über das Teilen von Daten zwischen Logistikunternehmen und Kunden die Auslastung der Fahrzeuge zu erhöhen.
6. Mitarbeiter auf Abruf
Aufgrund des Fachkräftemangels in der Logistik schaffen es viele Unternehmen nicht mehr, saisonale Auftragsspitzen zu bewältigen. Neben weiterer Automatisierung von Prozessen bietet sich hier eine wertvolle Möglichkeit, dem
Mangel an Fachkräften zu begegnen, indem Logistik-Facharbeiter über digitale Plattformen auf Abruf dort eingesetzt werden, wo sie kurzfristig benötigt werden.
7. Teilen von Logistik-Daten
Logistikdienstleister betreiben umfassende Transport- und Liefernetzwerke und sind in der Lage, qualitativ hochwertige Daten über aktuelle Lieferprozesse bereitzustellen. Gleichzeitig sammeln Sharing-Plattformen zahlreiche Daten über viele verschiedene Logistik-Prozesse. Diese Daten sollten gesammelt und ausgewertet werden (Datamining), um daraus neue Trends zu identifizieren oder Städte beispielsweise effizienter und somit umweltfreundlicher versorgen zu können.